Wichtige Frauen in Debussys Leben

Debussys Musik und Debussys Liebesleben könnten in keinem größerer Kontrast zueinander stehen. Während Debussy in seiner Musik die leisen Töne bevorzugte und dabei einen klaren Weg verfolgte, war sein Liebesleben von Unstetigkeit, Skandalen und Selbstmordversuchen durchzogen. Erst mit Emma Bardac und ihrer gemeinsamen Tochter Chouchou kehrte in seinen letzten 10 Lebensjahren Ruhe ein, auch wenn die Ehe aufgrund von Debussys Eigentümlichkeiten nicht immer die glücklichste gewesen zu sein scheint.

Mit den folgenden Frauen verband Debussy mehr als nur eine Freundschaft:

Marie-Blanche Vasnier

Marie-Blanche Vasnier war 30 Jahre alt, als Debussy sie 1880 kennenlernte. Sie war mit dem gut situierten Architekten Eugène-Henri Vasnier (1) verheiratet und hatte zwei Kinder. Debussys lernte sie kennen, als er Gesangsstunden am Klavier begleitete. Madame Vasnier war eine gute Sängerin. Bald ging Debussy in ihrem Haus aus und ein, hatte dort sogar ein eigenes Zimmer und fand hier den künstlerischen und emotionalen Halt, den er brauchte.

Marie-Blanche Vasnier
Marie-Blanche Vasnier, Gemälde von Jacques-Emile Blanche, 1888, Ausschnitt

Ihr Ehemann kümmerte sich um die Bildung und Karriere des jungen Debussy und sah großzügig darüber hinweg, dass die Beziehung Debussys zu seiner Frau vielleicht etwas zu eng war. Debussy widmete ihr einige seiner frühen Lieder. Die recht enge Freundschaft mit den Vasniers dauerte bis ungefähr 1890.

Gabrielle Dupont

Gabrielle Dupont, oder Gaby, war Debussys erste langfristige Beziehung. Barraqué schreibt über die
"[...] Gefährtin seiner schweren Jahre, von der man nicht weiß, ob sie Putzfrau oder Verkäuferin in einem Laden war. [...] Über Debussys Verhältnis mit Gaby hat man sich oft gewundert. Eine so unbedeutende Persönlichkeit als Gefährtin des jungen Komponisten kann die Neugier wirklich reizen. Aber Debussy scheint in bezug auf seine Partnerinnen weniger wählerisch gewesen zu sein als bei seinen Männerfreundschaften, die er gern auf geistiger Ebene pflegte."(2)

In der Tat ist sehr wenig über Debussys langjährige Freundin bekannt. So sind viele Aussagen in den Biographien widersprüchlich und zeugen damit auch nicht von großer Sorgfalt. Zu unbedeutend erscheint diese Gaby den Biographen. So datiert Danckert den Beginn der Beziehung um 1883, das Ende Anfang 1897, schreibt aber von einer etwa 10 Jahre dauernden Beziehung. (3) Er beschreibt sie als blond, hochgewachsen und robust (4), was Fischer-Dieskau nicht daran hindert, sie als eine „kleine Dunkelblonde aus Lisieux“ zu titulieren, die nur in Maßen hübsch gewesen sei. (5). Einzig bei der Augenfarbe sind sich alle einig – Vallas reduziert sie als „Dame mit grünen Augen“ (6) und „die grünäugige Gaby“ (7) im Grunde gänzlich auf dieses physiognomische Merkmal. Am ehesten darf man hier wohl René Peter glauben, der mit Debussy befreundet war und sie persönlich kennengelernt hatte: „Gaby war eine Blondine mit Katzenaugen und einem starken Kinn, und sie war sehr anhänglich.“ (8)

Was mag Debussy bewogen haben, einen guten Teil seines Lebens mit einer Frau zu verbringen, die intellektuell weit unter ihm stand und in einer geistig vollkommen anderen Welt lebte? Barraqué hat da schon recht: für den geistigen Tiefgang hatte er seine Freundschaften mit den Künstlern und Literaten, da benötigte er zu Hause keine Frau, die ihm intellektuell das Wasser reichen konnte. Außerdem kam Debussy selbst aus sehr einfachen Verhältnissen und sah deshalb die soziale Stellung Gaby sicher nicht als Problem. Er hätte auch nur schwer eine Frau finden können, die aus besseren Kreisen kam, denn Debussy lebte zu dieser Zeit das Leben eines armen Bohemiens in einem „Zimmer in der Rue de Londres 42, eine Art getäfelter Höhle, wo in sonderbarer Unordnung ein krummbeiniger Tisch, drei strohgeflochtene Stühle, eine Art Bett und ein strahlender, selbstverständlich geliehener Pleyel-Flügel einander Gesellschaft leisteten.“ (9)

Im Jahr 1897 Gaby fand einen kompromittierenden Brief Debussys, der eine Liebschaft mit einer anderen Frau – es ist nicht bekannt, welche - enthüllte und unternahm einen Selbstmordversuch mit einem Revolver, den sie allerdings überlebte. Das Ende der Beziehung wird im Allgemeinen auf Ende 1898 datiert. Denn am 1. Januar 1899 schreibt Debussy etwas kryptisch an seinen Verleger Georges Hartmann: „Ich habe die Wohnung gewechselt und dann hat Mademoiselle Dupont, meine Sekretärin (sic!) ihre Stellung aufgegeben.“ (10)

Thérèse Roger

Am 17. Februar 1894, als er noch mit Gaby zusammen war, gab Debussy seine Verlobung mit Thérèse Roger bekannt. Thérèse Roger war eine junge, durchaus begabte Sängerin, die bei der Uraufführung von Debussys Damoiselle elue am 8. April 1893 solistisch mitgewirkt hatte. Es war auch schon ein Hochzeitstermin vereinbart, als bekannt wurde, dass Debussy seine Beziehung zu Gaby Dupont nicht beendet hatte. Daraufhin wurde die Verlobung gelöst und einige Freunde Debussys, darunter Ernest Chausson, wandten sich von ihm ab.

Rosalie Debussy, geb. Texier (1873-1932)

Im Mai 1898 traf Debussy zum ersten Mal mit Rosalie Texier, genannt Lily oder Lilo, zusammen. Lily war eine enge Freundin von Debussy Ex-Freundin Gabi und genau wie sie bei einer Pariser Modefirma angestellt. Während diese erste Begegnung kein gegenseitiges Interesse der beiden aneinander hervorrief, begannen sie sich ab April 1899 häufiger zu treffen. Lily war zu diesem Zeitpunkt 26 und Debussy 37 Jahre alt.

Lily Texier
Rosalie Debussy, geb. Texier

Dann ging alles recht schnell, denn schon im Oktober desselben Jahres, am 19. Oktober, heirateten die beiden standesamtlich. Debussy musste am Tag der Hochzeit noch ein Klavierstunde geben, um die Kosten der Hochzeit und der anschließenden kleinen Feier bezahlen zu können. Die Ehe der beiden war zwar durch Debussys notorische Geldknappheit geprägt, scheint aber sonst harmonisch gewesen zu sein.

Emma Debussy, gesch. Bardac, geb. Moyse (1862-1934)

Im Oktober 1903 lernte Debussy Emma Bardac kennen deren Sohn Raoul er schon zwei Jahre lang unterrichtet hatte. Emma war eine schöne, charmante und gebildete Frau, die - ähnlich wie Marie-Blanche Vasnier - eine schöne Singstimme hatte und sehr musikalisch war. Sie war mit dem Bankier Sigismond Bardac verheiratet und hatte mit ihm zwei Kinder, Raoul und Hélène, genannt Dolly. Emma und Debussy freundeten sich schnell an und wurden spätestens im Sommer 1904 ein Paar.

Emma Debussy
Emma Debussy. Porträt von Léon Bonnat, 1903

Im Juli 1904 schickte Debussy Lily zu ihrem Vater nach Bichain, um anschließend im August mit Emma auf die Kanalinsel Jersey zu reisen (siehe auch L'isle joyeuse), und Lily von dort kryptische Briefe voller Andeutungen zu schreiben. Spätestens da war klar, was in der Gerüchteküche schon längst gebrodelt hatte, nämlich dass Debussy Lily verlassen wollte und würde. Am 13. Oktober, zurück in Paris, schoss sich Lily mit einem Revolver in den Bauch, konnte aber in einer Operation gerettet werden. Die Kugel steckte bis zu ihrem Lebensende in ihrer Wirbelsäule. Diese Vorkommnisse entfachten einen handfesten Skandal, der ein großes Echo in der Presse fand, Debussy in der Öffentlichkeit in ein sehr schlechtes Licht rückte und dafür sorgte, dass sich die allermeisten Freunde Debussys von ihm abwandten.

Warum Debussy eine neue Beziehung mit Emma einging und damit seine Ehe ruinierte, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Vallas mutmaßt, dass es daran gelegen hätte, dass Lily den immer größer werdenden gesellschaftlichen Ansprüchen Debussy nicht Schritt halten konnte (11), andere wiederum sehen den Grund darin, dass das Paar anscheinend keine Kinder bekommen konnte. Vielleicht spielt beides eine Rolle, denn Emma Bardac war eine Frau, die Debussy sowohl intellektuell ebenbürtig war, als auch sehr musikalisch gebildet und gesellschaftlich angesehen, gleichzeitig durch ihren wohlhabenden Erbonkel seine Geldsorgen mildern sollte (auch wenn sie durch die Verbindung mit Debussy und die daraus folgende Scheidung enterbt wurde, was keiner der beiden vorhersehen konnte), und die ihm innerhalb eines Jahres auch eine Tochter, Claude-Emma, genannt Chouchou, schenkte.

Die Scheidung Debussys zog sich noch bis in den August des folgenden Jahres hin. Debussy wurde zur Unterhaltszahlung von 400 Francs pro Monat verurteilt, einer Verpflichtung, der er bloß bis zum Jahr 1910 auch nachkam, was im Jahr 1916 noch eine Strafzahlung von 30.000 Francs nach sich zog. Am 20. Januar 1908 - Emma war inzwischen auch geschieden worden - heirateten die beiden. Chouchou war schon 1905 auf die Welt gekommen.

Mit Emma blieb Debussy bis zu seinem Tod zusammen. Sie wohnten in einem kleinen freistehenden Haus in der Avenue du Bois de Bologne. Inwieweit die beiden in ihrer Ehe glücklich waren, ist schwierig zu beurteilen. Debussy litt sehr und seinen finanziellen Belastungen und seiner beginnenden Krebskrankheit, lebte durch sein geliebtes Töchterlein allerdings auch auf. War Debussy von jeher ein etwas schwieriger Charakter, dürfte er in seinen letzten Lebensjahren nicht unbedingt einfacher geworden sein.


(1) Es ist aus den verschiedenen Quellen nur schwer ersichtlich, wie Monsieur Vasnier wirklich hieß. Während Roger Nichols und François Lesure ihn sehr wahrscheinlich richtigerweise Eugène-Henri nennen, spricht derselbe Nichols in seinem Buch Claude Debussy im Spiegel seiner Zeit von Pierre Vasnier. Auch bei Barraqué heißt er Pierre. Fischer-Dieskau nennt ihn Henry-A., und Vallas und Danckert machen sich gar nicht die Mühe, seinen Vornamen überhaupt zu erwähnen. Auch bei Vasniers Profession gibt es Unterschiede. Fischer-Dieskau bezeichnet ihn als Architekten und Kanzleirat im Baugewerbe, Nichols und Lesure als Bauunternehmer, auf hampsongfoundation.org ist er Beamter, David J. Code nennt ihn "inspector of buildings" und Danckert einen Pariser Baumeister.
(2) Barraque, Jean. Debussy. Rowohlt, 1964, S. 56.
(3) Danckert, Werner. Claude Debussy. Berlin, 1950, S. 22.
(4) Ebda.
(5) Fischer-Dieskau, Dietrich. Fern die Klage des Fauns. Rowohlt, 1964, S. 56f.
(6) Vallas, Leon. Debussy. Rowohlt, 1964, S. 56f.
(7) Ebda.
(8) Peter, René. Debussy et l'amour. "Comoedia", 4. Juli 1942, S. 1, 4. Zitiert nach: Nichols, Roger Claude Debussy im Spiegel seiner Zeit. Zürich, 1993, S. 39.
(9) Barraque, Jean, S. 56f.
(10) Ebda.
(11) Vallas, S. 192

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  © 2023 by Jochen Scheytt

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Jochen Scheytt
ist Lehrer, Pianist, Komponist, Arrangeur, Autor und unterrichtet an der Musikhochschule in Stuttgart und am Schlossgymnasium in Kirchheim unter Teck.