Jeux

Spiele

Jeux ist Debussys letzte orchestrale Partitur und gleichzeitig eine seiner komplexesten. Ursprünglich ist Jeux eine Ballettmusik, die Debussy auf Anregung des russischen Tänzers Vaslav Nijinsky für Sergei Diaghilevs Ballets Russes komponierte. Die Choreographie und die männliche Hauptrolle übernahm Nijinsky selbst. Heute wird Jeux allerdings viel häufiger konzertant, also als reines Orchesterwerk, und damit abgekoppelt von der Balletthandlung aufgeführt.

Die Balletthandlung

Die Handlung der Balletts ist denkbar banal. Ein junger Mann und zwei schüchterne Mädchen begegnen sich zufällig auf dem Tennisplatz, beziehungsweise in einem angrenzenden Park auf der Suche nach einem verlorenen Ball. Der junge Mann flirtet mit den beiden, kann sich aber nicht für eine entscheiden, worauf sie in verschiedene Richtungen verschwinden. Das Ganze soll in nächtlicher, geheimnisvoller Landschaft stattfinden.

Laurence Berman (1) weist darauf hin, dass die Handlung im Grunde dieselbe sei, wie die Vorlage von Debussys frühem Meisterwerk Prélude à l'après-midi d'un Faune. Dort stellt ein Faun an einem schwül-heißen Nachmittag zwei Nymphen nach, bei Jeux geschieht dasselbe bei nächtlicher Atmosphäre im Sportdress. Nijinsky hatte im Mai 1912, also ein Jahr vor der Premiere von Jeux, das Prélude à l'après-midi d'un Faune erfolgreich auf die Bühne gebracht, und es ist wohl nicht zu weit hergeholt, wenn man einen Einfluss vom Prélude à l'après-midi d'un Faune auf Jeux annimmt.

Bakst: Faun
Entwurf zum Ballett Jeux

Rezeption

Uraufgeführt wurde Jeux am 15. Mai 1913 im Théâtre des Champs-Elysees in Paris. Die Aufnahme durch das Publikum und die Presse waren unaufgeregt bis gelangweilt. Es wird immer wieder auf den Zusammenhang mit der genau zwei Wochen danach folgenden Uraufführung von Igor Stravinskys Sacre du Printemps hingewiesen, die ja bekanntlich einen handfesten Skandal verursachte und damit Jeux angeblich in den Schatten stellte. Es ist jedoch fraglich, ob dies etwas an der Rezeption von Jeux geändert hätte, denn Debussys Komposition besaß weder die Sprengkraft von Stravinskys Sacre du Printemps, noch war die Handlung in irgendeiner Weise dazu geeignet, zu polarisieren. Auch Debussy selbst war mit verschiedenen Aspekten der Choreographie nicht einverstanden, konnte sich mit Nijinskys Tanzstil nicht anfreunden und war dementsprechend unzufrieden. Insgesamt wurde Jeux nur fünf Mal gespielt.

Gut ein Jahr später, am 1. März 1914, wurde Jeux konzertant in den Concerts Colonne aufgeführt. Aber auch diese Aufführung produzierte kein größeres Echo, legte aber immerhin den Grundstein dafür, dass das Werk auch außerhalb der Bühne gespielt wurde. Denn in die Spielpläne des klassischen Ballett schaffte es Jeux nie wirklich.

Musikalische Gestaltung

Das circa 15 Minuten lange Jeux ist Debussys anspruchsvollste und musikalisch komplexeste Partitur. Es ist erstaunlich, welche kompositorische Entwicklung Debussy vollzog, wenn man die Partitur von Jeux mit den frühen, noch vom romantischen Geist durchdrungenen Werken vergleicht. Nicht umsonst wurde Jeux von Pierre Boulez, einem der wegweisenden Komponisten der Neuen Musik, quasi geadelt, als Werk, das in den 1950er Jahren aufgrund seiner Modernität immer noch aktuell sei und von dem ein geheimnisvolles Licht ausginge. (2)

Dieses geheimnisvolle Licht geht wohl am ehesten von dem ganztönigen Akkord aus, der zu Beginn (ab Takt 5) in verschiedenen Umkehrungen die Atmosphäre des Balletts setzt und im weiteren Verlauf noch zweimal wiederkehrt. Von diesem Akkord in den Holzbläsern geht in der Tat eine besondere magische Stimmung aus.

Notenbeispiel 1: Jeux, Takte 5-8, Partiturausschnitt, klingend notiert Bakst: Faun

(1) Berman, Laurence D. “‘Prelude to the Afternoon of a Faun’ and ‘Jeux’: Debussy’s Summer Rites.” 19th-Century Music, vol. 3, no. 3, 1980, pp. 225–38. JSTOR, https://doi.org/10.2307/746487. Accessed 14 Apr. 2023.
(2) Zitiert nach: Winkler, Andreas (2013): Jeux – eine Werkanalyse. ZGMTH 10/1, 159–206.

Kontakt

  © 2023 by Jochen Scheytt

Die deutschen Debussy-Seiten sind der umfangreichste Überblick über Debussys Leben und Schaffen in deutscher Sprache im Internet.

Jochen Scheytt
ist Lehrer, Pianist, Komponist, Arrangeur, Autor und unterrichtet an der Musikhochschule in Stuttgart und am Schlossgymnasium in Kirchheim unter Teck.