Don McLean: American Pie

Buddy Holly und der Tag an dem die Musik starb - Don McLeans verschlüsselte Hommage an die Musik der 1950er bis 1970er

Am Ende war es ein anonymer Bieter, der bei der Auktion im April 2015 in New York den Zuschlag für das Originalmanuskript von Don McLeans American Pie bekam. Don McLean selbst hatte aus Anlass seines nahenden 70. Geburtstages das 18-seitige Manuskript zur Versteigerung freigegeben - aus einer Laune heraus, wie er selbst sagte. Das Manuskript enthält nicht nur die fertige Version des Liedtextes, sondern auch die Genese, inklusive Anmerkungen und verworfener Textpassagen. Einige Seiten aus dem Manuskript sind auf Bildern einsehbar. Somit ist die Welt nun um eine nicht verwendete Strophe reicher, Don McLean durch die Veräußerung dieses Dokuments um schlappe 1,2 Millionen Dollar. Aber die neuen Einsichten in das Werk, die McLean selbst versprochen hatte, sind bei der Auktion dann doch nicht entstanden.

Denn das Dokument wird wohl durch den neuen Eigner genau so hermetisch weggeschlossen bleiben (jetzt aufgrund des Wertes wohl im Tresor), wie es jahrelang durch Don McLean geschehen war. Somit werden die kryptischen und vieldeutigen Anspielungen in American Pie auch in Zukunft Anlass für Interpretation, Deutung und Rätselraten bieten. Was im Grunde vielleicht auch gut so ist, denn nur das Rätselhafte fasziniert. Das wusste auch Don McLean, der sich selbst ja nie groß zum Inhalt geäußert hat und der immer wieder wissen ließ, dass er keine detaillierte Analyse seines poetischen Liedtextes liefern und in würdevollem Schweigen verharren würde.

Doch es gibt rund um American Pie auch gesicherte Fakten. Es geht in dem Song um den von Don McLean verehrten und 1959 bei einem Flugzeugabsturz in Iowa zusammen mit seinen Kollegen Ritchie Valens und J.P. Richardson Jr. (The Big Bopper) tödlich verunglückten Rock'n'Roll-Musiker Buddy Holly. Die drei Musiker hatten das Flugzeug während einer anstrengenden Tour durch den Mittleren Westen gechartert, um die lange und strapaziöse Busfahrt zum nächsten Auftrittsort zu vermeiden. Schon kurz nach dem Start zerschellte das Kleinflugzeug in einem Feld. Ausgelöst wurde der tragische Absturz sehr wahrscheinlich dadurch, dass der junge Pilot nicht dafür ausgebildet war, bei dem an diesem Abend vorherrschenden schlechten Wetter nur nach Instrumenten, und nicht nach Sicht zu fliegen.


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Don McLean erfuhr von dem Absturz, als er als "paper boy" Zeitungen austrug. An diesem Tag, dem Tag des Absturzes, starb für Don McLean die Musik. Ausgehend hiervon erzählt er aus seiner persönlichen Sicht in sechs Strophen die Geschichte der Pop- bzw. Rockmusik von den unschuldigen 1950ern über die turbulenten 1960er bis in die beginnenden, desillusionierenden 1970er, in denen er den Song schrieb. Dabei verschlüsselt Mc-Lean Personen und Ereignisse der Zeitgeschichte, indem er sie poetisierend umschreibt oder ihnen neue Namen gibt und so Spielraum für Interpretation lässt.

Don McLean selbst erklärt diesen Umstand dadurch, dass sich der Songtext wie ein Traum verhält, in dem Logik und Fantasie eng beieinander liegen, und sich so eine genaue Analyse des Textes nicht anfertigen lässt.

So spielen wohl unter anderem Bob Dylan, Elvis, die Beatles, Mick Jagger, Janis Joplin, sowie die Ereignisse in Altamont und andere, alltägliche Begebenheiten aus dem Leben der amerikanischen Jugend der 1950er und 1960er Jahre eine Rolle.

Einen verschlüsselten Hinweis auf Buddy Holly gibt es dann auch noch musikalisch, denn der Refrain von American Pie entspricht weitestgehend dem Refrain von Buddy Hollys Song I’m Gonna Love You Too aus dem Jahr 1957.

Als unwahr hat sich inzwischen die Information herausegestellt, bei American Pie handle es sich um den Namen des verunglückten Flugzeugs der drei Musiker. Dem ist nicht so. American Pie, und hier speziell die erste Zeile des Refrains, verweist auf das Lebensgefühl der 1950er und den Verlust der Unschuld durch das Abrutschen in die dunkleren 1960er, symbolisiert an den jungen Frauen jener Zeit, die so uramerikanisch waren wie apple pie, und die es inzwischen nicht mehr gibt.

Was sich aber im April 2015 bei der Auktion mal wieder als sehr wahr erwiesen hat, ist die Antwort, die McLean gerne auf die Frage gibt, was American Pie bedeute. Er pflegt immer zu sagen, es bedeute, dass er nie wieder arbeiten müsse. (1) Dabei dürften Summen wie die 1,2 Millionen für McLean nichs Außergewöhnliches darstellen. Denn in einem auf der Webseite MarketWatch veröffentlichten Interview gibt McLean 2019 offene und interessante Einblicke in seine Einkommensverhältnisse.

So gibt er dort an (2), insgesamt in seinem Leben circa 150 Millionen US-Dollar verdient zu haben! Die darin enthaltenen Einnahmen durch Tantiemen, vor allem für American Pie beliefen sich laut McLean demnach auf weit mehr als die vom Interviewer genannten 300.000 US-Dollar pro Jahr. Grund dafür seien unter anderem Lizenzierungen für die Verwendung von American Pie in Filmen oder Werbespots, für die ohne Weiteres Millionensummen abgerufen werden könnten. (3) Allerdings gibt McLean im selben Interview auch zu bedenken, dass dies Brutto-Einnahmen seien und ihm vor allem in den 1970er Jahren durch eine extrem hohe Besteuerung und sonstige Ausgaben nur circa 15% der Einnahmen übriggeblieben seien. (4) 15% von 150 Millionen sind dennoch genug, um davon mehr als komfortabel leben zu können. Zumal der Geldfluss ja nie wirklich versiegt.

Auch wenn man als Otto-Normalverdiener angesichts solcher Summer erst einmal mehrfach schlucken muss, sei es Don McLean dennoch gegönnt, dafür dass er die Welt um einen epochalen Song reicher gemacht hat.

(1) Zitiert nach: Davis, Clive. Bye, bye Miss American Pie: Singer reveals meaning behind iconic hit. https://www.express.co.uk/entertainment/music/568345/Singer-Don-McLean-reveals-meaning-iconic-hit-American-Pie. Abgerufen am 9.2.2020.
(2) Kutz, Steven. „American Pie“ singer Don McLean has made $150 million in his career – here’s how he invested it. 30.3.2019. https://www.marketwatch.com/story/american-pie-singer-don-mclean-has-made-150-million-in-his-career-heres-what-hes-done-with-it-2019-03-25. Abgerufen am 22.3.2020.
(3) ebda.
(4) ebda.

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  © 2024 by Jochen Scheytt

Jochen Scheytt
ist Lehrer, Pianist, Komponist, Arrangeur, Autor und unterrichtet an der Musikhochschule in Stuttgart und am Schlossgymnasium in Kirchheim unter Teck.