1983
Trevor Horn gehört zu den Produzenten, die die Popmusik der 1980er Jahre entscheidend prägten. Produzenten agieren meist im Hintergrund und sind deswegen oft auch nur denen bekannt, die sich intensiver mit der Musik und ihrer Entstehung beschäftigen - oder eventuell auch denen, die aus purer Langeweile das Kleingedruckte auf der Schallplattenhülle oder im CD-Beiheft lesen. Bevor Trevor Horn als Produzent im Hintergrund verschwand, hatte er mit seiner Band The Buggles und Video Killed The Radio Star einen veritablen Hit an der Schwelle zu den 1980ern. Dann nahm er die lustige Brille ab, die er im Video getragen hatte, überließ auf Anraten seiner Frau Jill die Bühne anderen und verhalf in den folgenden Jahren den wichtigsten britischen Bands und Musikern wie ABC, Frankie Goes To Hollywood, Grace Jones, den Pet Shop Boys, Mike Oldfield, den Simple Minds und vielen weiteren zu ihrem Sound.
Eine der schwierigsten Aufgaben, die Trevor Horn Anfang der 1980er Jahre zu bewältigen hatte, war sicherlich, der Band Yes als Produzent zu einer neuen Sound-Identität zu verhelfen. Die Band, die in den frühen 1970er Jahre mit ihrem Art- und Bombast-Rock große Erfolge gefeiert hatte, hatte sich am Ende der 1970er Jahre, als in der Pop- und Rockmusik ein neues musikalisches Zeitalter anbrach, selbst überlebt. Der Sänger Jon Anderson und der Keyboarder Rick Wakeman verließen Yes. Beim Versuch die Band mit neuem Personal am Leben zu erhalten, war auch Trevor Horn als Leadsänger zum Einsatz gekommen, allerdings nur einige Monate lang, bevor Yes sich 1980 offiziell auflösten.
Doch ganz zu Ende war es nicht, denn der Bassist Chris Squire und der Schlagzeuger Alan White spielten weiterhin miteinander und schlossen sich mit dem südafrikanischen Gitarristen, Keyboarder und Sänger Trevor Rabin zusammen, der neue musikalische Impulse setzte. Dadurch standen nun auch der Keyboarder Tony Kaye und Leadsänger Jon Anderson wieder bereit. Produzieren sollte das neue Album der Band Trevor Horn. Dem Neustart stand, wie Horn in einem Interview (1) sagte, vor allem seine Frau kritisch gegenüber, die ihm Vorhaltungen machte, wie er seine Zeit mit diesen abgehalfterten Altrockern verplempern könne. Doch Horn setzte sich durch und nahm die Aufgabe an. Das meiste musikalische Material, das Trevor Horn produzieren sollte, stammte nun eben von dem anderen Trevor, von Trevor Rabin. Dieses Material lag auf Demobändern vor, die Trevor Rabin aufgenommen hatte. Vieles davon überzeugte Trevor Horn qualitativ nicht unbedingt, um es mal diplomatisch auszudrücken, und hier beginnt die Geschichte von Owner Of A Lonely Heart.
30 Songs der Popsongs-Seiten und 30 weitere jetzt als Buch und als e-Book. Books on Demand Verlag, 2020. Erhältlich
im Onlineshop von Books on Demand
und in allen Online-Buchhandlungen.
Weitere Informationen zum Buch
Als man damit beschäftigt war, die Demobänder auszuwerten, musste Rabin einem zutiefst menschlichen Bedürfnis nachgehen – das Band lief aus Versehen weiter. Und es lief das Demo zu Owner Of A Lonely Heart, das Rabin eigentlich gar nicht für Yes in Betracht gezogen hatte. Doch Horn erkannte mit seinem untrüglichen Produzenten-Gespür das Hitpotential, das im eröffnenden Gitarren-Riff und in der Refrainzeile lag, sofort. Den Rest des Stücks hielt er dagegen für nicht sonderlich verwertbar. Da man aber eh noch auf der Suche nach einem potentiellen Hit gewesen war und Horn überzeugt war, in Owner Of A Lonely Heart, genau diesen Hit gefunden zu haben, begann nun die Arbeit daran, die Demoversion in einen ebensolchen zu verwandeln. Eine Arbeit, die laut Trevor Horn heftigste Widerstände bei der Band auslöste und fast ein halbes Jahr dauerte.
Denn so lang dauerte es, Trevor Rabin davon zu überzeugen, dass der Text der Strophen, genau wie die Melodie, komplett neu gestaltet werden müsse. Horn half bei den Neukomposition und Neutextierung kräftig mit, was ihm auch einen Eintrag bei den Urheberrechten und einen Anteil von 15% an den Tantiemen bescherte. Vor allem der charakteristische „Move yourself“-Beginn stammt von Horn.
Die zweite große Aufgabe war, dem Song einen Sound zu verleihen, der ihn aus der Masse herausheben würde. Dabei half Horn die Ausstattung seines Studios und sein Faible für die modernsten und teuersten verfügbaren Techniken und Geräte. So stand Horn in seinem Tonstudio das modernste State-of-the-Art-Gerät der frühen Achtziger zur Verfügung: ein Fairlight CMS II, ein rund 30.000 britische Pfund (was beim damaligen Umrechnungskurs etwa 65.000€ entsprach(!)) teurer digitaler Synthesizer und Sampler. Nur wenige damals konnten sich dieses moderne Gerät leisten, und noch wenigere konnten es bedienen, was sich bei den folgenden Generationen des Fairlight schnell ändern sollte und seine Verbreitung trotz des horrenden Preises begünstigte.
Trevor Horn und sein Toningenieur arbeiteten sich in das digitale Sampling, das mit dem Fairlight zum ersten Male möglich war, ein und so ist Owner Of A Lonely Heart einer der ersten Songs überhaupt, bei dem ein Sample zum Einsatz kam. Samples sind kurze, digitale Ausschnitte aus anderen Aufnahmen, die damit universell verfügbar und veränderbar werden. Auch live gespielte Klänge können aufgenommen und damit als Sample digital verfügbar gemacht werden. Das bei Owner Of A Lonely Heart verwendete Sample stammt aus der Aufnahme Kool is back von der amerikanischen Funkband Funk Inc. aus dem Jahre 1971.
Es handelt sich dabei eigentlich nur um einen einzigen Bläserakkord und den anschließenden Drum-Fill, der im Original bei 1:45 Minuten vorkommt, also um einen Ausschnitt von knapp zwei Sekunden. Das Sample wird in Owner Of A Lonely Heart an mehreren Stellen eingesetzt, zweimal am Übergang zu den beiden Strophen (0:19 und 1:12), in den beiden Strophen (0:49 und 1:28) und als achtsekündiger Instrumentalbreak vor dem Gitarrensolo (2:23 bis 2:31). Hier ist das einzige Mal auch der Drum-Fill mit dabei, zusätzlich wird der Bläserakkord am Ende des kurzen Teils chromatisch, also in Halbtonschritten, nach oben geführt. Der letzte Akkord ist gleichzeitig der Beginn des Gitarrensolos. Bei manchen dieser Akkorde wird der oberste Ton vokal gedoppelt.
Doch auch beim Gitarrensolo wurde in die technische Trickkiste gegriffen. Das schneidende, wie eine Kreissäge ins Mark fahrende Solo wurde mit Hilfe eines Harmonizers eingespielt. Trevor Rabin benutzte dazu die Harmonizer-Funktion einer hinzugefügten reinen Quint oberhalb des gespielten Tons, so dass also stets eine Quint zu hören ist, wenn Rabin einstimmig spielt. An einigen Stellen spielt er auch Terzen, die dann vom Harmonizer zu Vierklängen ergänzt wurden (Beispiel: die Terz d und fis wird vom Harmonizer ergänzt zu a und cis, so dass ein Dmaj7-Akkord entsteht). Zusätzlich wird das Solo soundtechnisch wild zwischen linkem und rechtem Kanal hin- und hergeworfen und mit Hall-Effekten verstärkt. (2)
Kleiner Fun-Fact am Ende: in der zweiten Strophe bei 1:28 ist ein Schussgeräusch zu hören. Trevor Horn liefert die dazu passende Anekdote (3). Die heftigen Kämpfe um Melodie und Liedtext hatten dazu geführt, dass der Leadsänger Jon Anderson, dem Horns Neutextierung der zweiten Strophe nicht gefiel, statt des ursprünglichen Trevor-Horn-Texts die Textstelle mit dem "eagle in the sky" einbaute. Horn revanchierte sich, indem er den Adler ganz einfach elektronisch abschoss.
(1) Trevor Horn Lecture (Madrid 2011). Red Bull Music Academy. Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=DR4GwBRWR6Y.
Abgerufen am 20.5.2020.
(2) Rabin, Trevor. Instructional DVD for Guitar. Hal Leonard Corporation.
(3) Trevor Horn Lecture (Madrid 2011). Red Bull Music Academy. Ebda.
© 2024 by Jochen Scheytt