Al Jarreau wurde am 12. März 1940 in Milwaukee, Wisconsin als fünftes von sechs Kindern als Alwyn Lopez Jarreau geboren. Sein Vater, der aus New Orleans stammte, war Pfarrer in der Seventh Day Adventist Church, musste aber während des Krieges in einer Munitionsfabrik arbeiten, so dass Al seinen Vater nie in der Kirche predigen hörte. Beide Elternteile, sowie Al's Geschwister, waren sehr musikalisch, so dass auch beim kleinen Al die ersten musikalischen Gehversuche nicht lange auf sich warten liessen. Mit vier Jahren sang er zum ersten Mal ein Solo in der Kirche, und in den folgenden Jahren bestimmte der Gesang mehr und mehr sein Leben.
Während der Schulzeit sang er in - wie er es nennt - "oo-shoo-be-doo street corner quartets" oder in Schul-Jazzbands Standards wie "Lullaby of Birdland" oder "Moonlight in Vermont". Bald begann er auch, in Bars seiner Heimatstadt aufzutreten. In einer davon lernte er den ungarischen Jazzpianisten Les Czimber kennen, der ihn unter seine Fittiche nahm, ihn zum Improvisieren ermunterte und ihm zeigte, wie man Songs ausarbeitet. Nach der Schule begann er, am Rippon College Psychologie zu studieren. Er trat nebenbei weiter auf, obwohl er auch anderen Hobbies wie Baseball oder Basketball intensiv nachging.
Nach seinem Studienabschluss promovierte er an der University of Iowa und ging 1964, nach sechs Monaten bei der Armeereserve, nach San Francisco. Dort führte er, wie er sagt, so eine Art Doppelleben. Tagsüber war er als Rehabilitationsberater tätig, abends sang er dreimal in der Woche in einem Club zusammen mit einem Trio, das von dem damals auch noch unbekannten George Duke geleitet wurde.
1968 lernte er den brasilianischen Gitarristen Julio Martinez kennen, mit dem er fortan im Duo im "Gatsby's" in Sausalito auftrat. Das war die Zeit, in der er seinen speziellen Gesangsstil entwickelte, weil er plötzlich, nur noch von einer Gitarre begleitet, viel mehr Freiheiten hatte. Noch im selben Jahr kündigte er seinen Beruf, der ihn nie so ganz befriedigt hatte, um sich voll und ganz der Musik widmen zu können. Es folgten Auftritte bei Dino's in Los Angeles, bei Rodney Dangerfield in New York und in den TV-Shows von Johnny Carson, Mike Douglas und David Frost. Trotzdem wollte sich der Erfolg nicht so recht einstellen.
Eine wissenschaftliche Arbeit zu Al Jarreau. Mit Analysen zur vokalen Improvisation und der Harmonik einiger ausgewählter Songs. Grin Verlag, 2008.
Im Jahre 1971 ging Al Jarreau nach Minneapolis und gründete, immer noch mit Julio Martinez zusammen, eine Rockgruppe, genannt "Jarreau". Doch auch dieser Versuch endete erfolglos. In dieser Zeit allerdings begann Al, seine ersten eigenen Songs zu schreiben. Die nächsten zweieinhalb Jahre sangen Al und Julio Martinez im Bla Bla Café in Los Angeles. Anfangs ohne festes Gehalt, ließen sie einen Hut durch das Publikum wandern. Nach zwei Jahren aber, so berichtet Al Jarreau, war er in der Lage, seine Miete und sonstigen Ausgaben durch zwei Auftritte in der Woche zu bezahlen.
Im Jahr 1975, wurde Al Jarreau im Vorprogramm für ein Konzert von Les McCann im Troubadour Club in Hollywood engagiert. Bei einem Auftritt im Bla Bla Café in Los Angeles schließlich wurde er von einem Talentscout entdeckt und hatte am nächsten Tag seinen ersten Plattenvertrag bei Warner Brothers in der Tasche. Bald darauf wurde sein erstes Album "We Got By" veröffentlicht.
1976 sang er zum ersten Mal in Europa, nämlich bei den Jazzfestivals in Montreux und Berlin. Das Jahr darauf begann mit insgesamt fünf Konzerten im "Onkel Pö" in Hamburg. Diese hatten eine Einladung zu einer Europatournee durch sechzehn Städte zur Folge. Sie wurde ein triumphaler Erfolg und beförderte Al mit einem Schlag vom Geheimtipp zum Star - zumindest in Deutschland, wo er den Deutschen Schallplattenpreis als bester Nachwuchskünstler (im Alter von 36 Jahren!) erhielt. Doch so langsam begannen sich seine Erfolge auch in den USA herumzusprechen und seine Beliebtheit stieg, was sich an den Leserumfragen der Zeitschrift "down beat" und an der Verleihung des "Grammy" 1978 als "Best Jazz Vocal Performance" für das Album "Look to the Rainbow" ablesen lässt. Für das Album "All Fly Home" erhielt er im Jahr darauf einen weiteren Grammy in der gleichen Kategorie.
1982 gewann Al Jarreau erneut zwei Grammys, einmal Best Male Pop Vocal Performance für das Album "Breakin' Away" und einmal Best Male Jazz Vocal Performance für "(Round, Round, Round) Blue Rondo à la Turk" von eben diesem Album. "Breakin' Away" ist bis heute Al Jarreaus meistverkauftes Album. Die weiteren Studioalben der Folgejahre brachten Al Jarreau immer mehr Richtung Mainstream, und weg von Jazzstücken oder individuell auf ihn zugeschnittenen Titeln. Ausgerechnet der negative Höhepunkt in dieser Entwicklung, das Album "Heaven and Earth" von 1992 brachte ihm einen weiteren Grammy für die beste Vocal Performance in der Kategorie R&B. Damit ist Al Jarreau der einzige Künstler, der in drei verschiedenen Kategorien, Jazz, Pop und R&B einen Grammy erhielt.
Schon 1987 hatte Al Jarreau den Titelsong zur populären wöchentlich ausgestrahlten Fernsehserie "Moonlighting" (auf deutsch: "Das Model und der Schnüffler") eingesungen, und damit vielleicht den Gipfelpunkt seiner Bekanntheit erreicht. Die kommerziellen Erfolge erlaubten ihm, 1994 eine CD aufzunehmen, die einen weniger kommerziellen Ansatz hatte. "Tenderness" wurde quasi live eingespielt, im Studio vor ausgewähltem Publikum und wirkte versöhnlich für die Fans, die den Al Jarreau der Live-Konzerte mehr schätzten als den seiner im Vergleich dazu sterilen Studioalben.
Dass Al Jarreau bei der Ausrichtung seiner Alben auch mit seiner Plattenfirma nicht immer einer Meinung war, kann man daran ablesen, dass auf "Tenderness" kein weiteres Album bei Warner folgte. Dafür tourte Al zwischen 1994 und 2000 Al Jarreau extensiv und machte damit das, was ihm bis an sein Lebensende am Herzen liegen sollte: den Kontakt mit dem Publikum pflegen und mit diesem im Austausch zu stehen.
Nun 60-jährig, verließ Al Jarreau Warner. Von diesem engen Korsett befreit nahm er in den 2000er Jahren Alben mit verschiedenen Ansätzen auf, viele mit Gastmusikern. Darunter ein Jazzalbum ("Accentuate the Positive" (2004)), ein Album zusammen mit George Benson ("Givin' It Up" (2006)), und ein Album zusammen mit dem niederländischen Metropole Orkest ("Al Jarreau and the Metropole Orkest Live" (2012)), die einzige auf CD gepresste Zusammenarbeit mit einer Big Band und Streichern.
Dass Konzerttourneen stressig sind, konnte im zunehmenden Alter auch ein Energiebündel wie Al Jarreau nicht mehr verleugnen. So musste er 2010 während einer Tour in Frankreich wegen schwerer Atemprobleme ins Krankenhaus. 2016 absolvierte er einige Konzerte zusammen mit der NDR Big Band von einer Rücken-OP gezeichnet im Sitzen und von Begleitern gestützt. Im Januar 2017 musste er wegen Erschöpfung eine Jazz-Kreuzfahrt absagen und verkündete kurz darauf sein Karriere-Ende. Nur wenige Tage später, am 12. Februar 2017, starb Al Jarreau einen Monat vor seinem siebenundsiebzigsten Geburtstag im Kreis seiner Familie in Los Angeles.
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