Es ist kein Zufall, dass der immense Erfolg der Minstrel Show und ein wachsendes Bewusstsein in der amerikanischen Bevölkerung gegenüber der Sklavenproblematik Hand in Hand gingen. Die Frage, wie mit Schwarzen in der amerikanischen Gesellschaft umgegangen werden sollte, beschäftigte die Menschen. Es war etwas, womit sie sich früher oder später befassen mussten, ob sie es wollten oder nicht. Doch die Menschen im Norden hatten keine genaue Vorstellung davon, wie Schwarze wirklich waren. Es gibt Berichte, wonach in den frühen Tagen der Minstrel Shows die Minstrels für echte Schwarze gehalten wurden.(19) Das zeigt, dass die Minstrels in gewisser Weise eine Neugier der Amerikaner gegenüber den Schwarzen befriedigten. Allerdings versorgten sie die Menschen nicht mit einem authentischen Bild der Schwarzen, sondern boten ihnen ein Bild der Schwarzen, das speziell für die Bedürfnisse der Weißen gemacht war. "From the outset, minstrelsy unequivocally branded Negroes as inferiors."(20) Dadurch, dass sie sie als kindlich, doof, immer fröhlich, ständig singend präsentierten, oder als gute alte Sklaven, die ihre Herren liebten und mit ihrem Schicksal zufrieden waren, hielten sie die Schwarzen auf beruhigende Distanz.
Die Weißen im Norden hatten ein zwiespältiges Verhältnis zur Sklaverei. Auf der einen Seite wollten sie die Abschaffung der Sklaverei und waren erzürnt über die Grausamkeiten, die sie aus dem Süden hörten, auf der anderen Seite aber fürchteten sie die Veränderungen, die sich aus einer neuen sozialen Stellung der Schwarzen heraus ergeben würde. Sie attackierten den Süden für die Ungerechtigkeit der Sklaverei und erschufen gleichzeitig eine idealisierte und romantisierte Welt der Schwarzen auf den Plantagen. Sie entwickelten den Typ des wandernden "darkies"; ein ehemaliger schwarzer Sklave, der sich in der freien Welt nicht zurechtfindet und sich nach dem idyllischen und sorgenfreien Leben auf der Plantage zurücksehnt. Diese nostalgische Figur erscheint am häufigsten in den sentimentalen Liedern von Stephen Foster und versicherte den Leuten, dass die Schwarzen ihren Platz im Süden der USA und nicht im Norden hatten. Das weiße Publikum, das mit und über den Minstrel Clown lachte, brachte so seine gemischten Gefühle gegenüber der Sklavenfrage zum Ausdruck.
Die ständige Betonung der idealen Welt auf der Plantage hatte auch einen Nebeneffekt. "These sentimental songs sharply contrasted the stable, loving families of an idyllic rural life to the harsh realities and social chaos of [Northern] cities."(21) Vielleicht ohne ihr Wissen betonten die Minstrels Familienwerte, die durch den Fortschritt und die Verstädterung in zunehmende Gefahr gerieten, und boten dem Publikum auf diese Weise eine Fluchtmöglichkeit aus ihrer eigenen Realität.
Die Minstrels benutzten die Maske des schwarzgefärbten Gesichts allerdings nicht nur um dem Publikum ein idealisiertes Bild der Schwarzen zu geben, sondern sie benutzten sie auch in der Tradition des klassischen Narren. In der italienischen commedia dell'arte diente die Maske dazu, den dahinter verborgenen von allen Konventionen und Regeln zu befreien. Er konnte so seine Späße ungehindert treiben und musste keine Konsequenzen fürchten. Durch diese Maske konnten die Minstrels auch ernsthafte Kritik äußern, ohne richtig ernst genommen werden zu müssen.
Denn soziale Kritik wurde um 1860, als der beginnende Bürgerkrieg die Amerikaner und ihr Bewusstsein radikal veränderte, immer wichtiger. Die Minstrels konnten und wollten diesem Thema nicht ausweichen. Als Ergebnis begannen sie, sich von der Fixierung auf die Thematik der Schwarzen zu lösen und wurden in ihren Aussagen immer gesellschaftskritischer. Zur gleichen Zeit aber trug dieser erweiterte Horizont auch mit zum Niedergang der Minstrelsy bei, denn die "blackface mask" hatte ihren ursprünglichen Sinn verloren. Doch auch die sich schnell verändernde amerikanische Gesellschaft, die sich anderen Entertainmentformen zuwandte, war für das langsame Verschwinden der Minstrel Shows mit verantwortlich. Die Minstrel Show war ein Kind ihrer Zeit gewesen und hatte im ausgehenden 19. Jahrhundert keinen Platz mehr.
(19) Toll, Robert, S. 38.
(20) Ibid., S. 167.
(21) Ibid., S. 86.
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