Ab 1901 begann Debussy damit, Musikkritiken zu schreiben und diese in musikalischen Zeitschriften zu veröffentlichen. Der Antrieb dazu war sicherlich die chronische Geldnot, die auf diese Weise etwas gelindert werden konnte. Debussy hatte eine recht kritische Haltung gegenüber Musikkritikern und ihrer Besserwisserei. Daher begannen Debussys Kritiken recht bald, eher die Form von musikalischen Essays anzunehmen.
Ein mit Debussy befreundeter Literat, Paul Valéry, hatte die Figur des Monsieur Teste, Herrn Kopf, erfunden, den er benutzte, um mit ihm in Dialogform literarische Themen zu diskutieren. Diese Figur nahm sich Debussy zum Vorbild und keierte Monsieur Croche, zu deutsch Herr Achtelnote. Durch Monsieur Croche konnte er Dinge äußern, die er selbst so nicht sagen wollte. Er konnte sich also in gewisser Weise hinter dieser Figur verstecken.
Dass viele seiner Zeitgenossen, aber auch das Pariser Publikum, in diesen Aufsätzen nicht gut wegkamen, kann sich der aufmerksame Leser, der die vorherigen Seiten aufgenommen hat, schon denken. Bissige Bemerkungen, Satirisches, Ironie und auch Sarkasmus und Hohn waren immer in seinen Kritiken präsent. Hier konnte er vieles seiner Ansichten darlegen und andere aus seiner Sicht darstellen. Auch wenn er sich selbst in der Hinsicht äußerte, dass ihm das Schreiben der Kritiken eine Last sei, so ganz ohne Vergnügen wird er seine schriftstellerische Tätigkeit wohl nicht ausgeübt haben.
Die gesammelten Aufsätze erschienen erst nach Debussys Tod 1921 unter dem Titel "Monsieur Croche, Antidilettante". Debussy selbst hatte sich jedoch schon seit 1914 mit einer Veröffentlichung beschäftigt. Auch hieran sieht man, dass er selbst die Essays nicht als unbedeutend betrachtete, sondern ihnen schon einen Wert beimaß.
Einige Auszüge sollen einen Einblick in die Welt der debussyschen Essays geben.
"In den letzten Wochen gab es eine Invasion deutscher Dirigenten. Das ist zwar weniger ernst als eine Epidemie, aber viel geräuschvoller. Wenn die Herren wenigstens etwas Neues in ihren Programmen mitbrächten, wäre es noch interessant; aber keineswegs, es ist der alte sinfonische Bestand, der herkommt, und wir werden den üblichen Vorführungen, wie man auf verschiedene Arten die Sinfonien Beethovens dirigiert, beiwohnen. [...] Gewichtige, wohlunterrichtete Leute werden erklären, dass dieser oder jener Dirigent das richtige Tempo hat, was übrigens ein ausgezeichnetes Gesprächsthema abgibt." (1)
"Letzten Sonntag war das Wetter unwiderstehlich schön. Die Sonne erprobte ihre ersten Strahlen und schien jeden Versuch vereiteln zu wollen, irgendwie Musik zu hören. [...] Herr Weingärtner nutzte es, um an diesem Tage das Orchester der Concerts Lamoureux zu dirigieren. [...] Er dirigierte zuerst Beethovens Pastoralsinfonie mit der Sorgfalt eines ängstlichen Gärtners. Jede Raupe war peinlichst entfernt worden." (2)
"Die Musik ist eine Summe zerstreuter Kräfte. Man macht daraus ein theoretisches Geschwätz. Ich habe die paar Flötentöne eines ägyptischen Hirten lieber; er ist eins mit der Landschaft und hört Harmonien, von denen in euren Abhandlungen nichts steht. Die Musiker hören nur die Musik, die von geschickten Händen geschrieben wurde, niemals aber die, welche der Natur innewohnt. Den Anbruch des Tages zu erleben ist nützlicher, als die Pastoralsinfonie zu hören." (3)
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