Zur Wahl der Titel bei Debussys Werken

Die drei Schaffensphasen, die bei Debussy zu erkennen sind, spiegeln sich in der Wahl der Titel seiner Werke wieder. (1)

1. Frühwerk

Die Titel der Klavierstücke sind bei den frühen Werken rein musikalischer Art, also formale Bezeichnungen wie Suite oder Valse. Dies ist nicht nur bei Debussy zu beobachten, sondern auch bei vielen anderen französischen Komponisten und Zeitgenossen Debussys. Sie stellen sich gegen die gefühlsüberfrachtete Musik der Romantik und speziell Wagners und kehren stattdessen zu Formen der französischen Musik des 17. Jahrhunderts zurück. Darum kommen die meisten der verwendeten Formen, und damit auch Titel wie zum Beispiel Suite, Sarabande oder Toccata alle aus dieser Zeit.

2. Mittlere Schaffensphase

Debussy beginnt, außermusikalische Titel zu finden. Die Anregungen dazu kommen aus der bildenden Kunst (Estampes, Images, Feuilles mortes), aus der Literatur (Les sons et les parfums tournent dans l'air du soir, La danse de Puck, beide aus: Préludes I) oder aus anderen Bereichen des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens (z.B. Général Lavine - excentric , Masques). Sobald Debussy seine eigene Tonsprache findet, beginnt er auch, bei der Bezeichnung seiner Stücke eigene Wege zu gehen.

3. Spätwerk

Hier findet Debussy wieder zu rein musikalischen Titeln zurück, wie bei den Etüden oder auch den Sonaten für verschiedene kammermusikalische Ensembles. Dies ist vor allem deshalb interessant, da Debussy die klassischen Formen wie die der Sonate Zeit seines Lebens abgelehnt hatte, da ihm dieses doch recht einengende Formmodell hinderlich für eine sich organisch entwickelnde Musik zu sein schien.

Préludes Band I und II

Einen Sonderfall in Bezug auf den Titel stellen die Préludes Band I und Band II dar. Hier fungieren die Titel der Stücke nicht als Überschriften, sondern eher als Bildunterschriften. Sie stehen nämlich nicht über den Stücken, sondern unter den Noten, folgen ihnen also nach, quasi als Nachtrag oder Fußnote. Das bedeutet, dass die hier fast alle aus dem außermusikalischen Bereich kommenden Titel nicht programmatisch zu verstehen sind, dass Debussy also den außermusikalischen Inhalt nicht im Sinne der Programmmusik mit musikalischen Mitteln darstellen möchte. Im Gegenteil: Die Unterschriften sind nur ein Hinweis auf die für die Komposition ausschlaggebende Anregung oder eine zur Entstehung des Stücks führende momentane Stimmung. Die Stücke können unabhängig von dieser Unterschrift völlig frei und unvoreingenommen interpretiert und verstanden werden.

(1) Einteilung erfolgt nach: Porten Maria, Zum Problem der Form bei Debussy. München, 1974, S. 106.

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  © 2023 by Jochen Scheytt

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Jochen Scheytt
ist Lehrer, Pianist, Komponist, Arrangeur, Autor und unterrichtet an der Musikhochschule in Stuttgart und am Schlossgymnasium in Kirchheim unter Teck.