Debussy wird von seinen Zeitgenossen stets als beeindruckende Persönlichkeit geschildert. Rein äußerlich scheint seine außergewöhnliche Kopfform bei den meisten Menschen den größten Eindruck hinterlassen zu haben. Debussy war ein höflicher Mensch, der immer sehr großen Wert auf ein gepflegtes Äußeres legte.
"[...] Er war vielmehr ein typischer Franzose, und zwar ein Bourgeois. [...] Selbst in der äußeren Erscheinung bewies Debussy Geschmack und Methode. Er war ziemlich groß und trug meist schwarze Anzüge, die immer schön gebügelt waren. Sein Bart war stets ordentlich gestutzt, das Haar gekämmt, die Krawatte gut gebunden. Ohne gewandt oder elegant zu erscheinen, vermittelte er den Eindruck, Wert auf gute Kleidung und Sauberkeit zu legen. Wenn nicht diese seltsam geformte Stirn gewesen wäre, die sich hervordrängte, als wolle sie vor Verstand und Ideen bersten, hätte er in jeder Hinsicht einem typisch französischen Kaufmann oder Akademiker ähneln können." (1)
Debussy war sanft und sehr sensibel, hatte aber den Ruf, unzugänglich und mürrisch zu sein. Das kam sicher durch seinen Sarkasmus, mit dem er auch öffentlich Menschen oder Dinge bedachte, die er nicht mochte. Außerdem war er berüchtigt für seine gelegentlichen Wutausbrüche. Alle, die die Chance hatten, ihn näher kennenzulernen, berichten jedoch von einem freundlichen, zuvorkommenden Menschen. Er war äußerst pedantisch und hatte in seiner Arbeitsumgebung eine genau definierte Ordnung, deren kleinste Störung ihn völlig aus dem Gleichgewicht bringen konnte.
Beeindruckend muss auch sein Klavierspiel gewesen sein. Besonders als Interpret seiner eigenen Werke war er herausragend. Das lag vor allem an seinem ungemein nuancenreichen und differenzierten Anschlag.
"Schließlich setzte sich Debussy noch einmal an den Flügel [...]. Er entlockte dabei dem Blüthner einen Klang wie ich ihn lieblicher, leichter und zarter niemals gehört hatte. Wie machte er das? Ich beobachtete, dass er stellenweise, vor allem in weichen Akkordpassagen, seine Finger beinahe flach hielt. Er schien die Tasten zu liebkosen, indem er sie mit einer schrägen Bewegung sanft nach unten strich, anstatt sie in gerader Linie herunterzudrücken." (2)
Debussy am Klavier im Jahre 1893 bei Ernest Chausson in Luzancy
Dazu passt auch der folgende, gerne zitierte Ausspruch Debussys: "Man muss vergessen, dass das Klavier Hämmer hat." Debussy war jedoch kein Virtuose am Klavier und trat äußerst ungern öffentlich auf. Dies war aber mehr auf Schüchternheit und eine allgemeine Unsicherheit zurückzuführen.
Debussy spielte im Jahr 1913 einige seiner Werke für die Firma Welte & Söhne auf deren Reproduktionsklavier Welte Mignon ein. Bei dieser frühen Aufnahmetechnik wurden die Einspielungen auf Notenrollen mit Lochstreifen festgehalten - und das inklusive Anschlagsstärke und allen Feinheiten der Ausführung. Diese Aufnahmen sind heute auf CD verfügbar. Folgende Klavierwerke spielte Debussy ein:
Aufgrund dieser Schüchternheit und der Unsicherheit im öffentlichen Auftreten war er als Dirigent nicht wirklich geeignet. Dazu kam, dass er keine Dirigier-Ausbildung besaß, und somit handwerkliche Mängel ein gutes Dirigat verhinderten. So konnte er selbst seine eigenen Werke nicht fehlerfrei dirigieren. Der englische Dirigent Sir Henry Wood, der Debussy im Jahr 1908 für einige Konzerte nach England einlud, berichtet, dass Debussy bei einem Konzert in der Londoner Royal Albert Hall versuchte, das zweite Stück der Nocturnes abzubrechen, weil er sich verzählt hatte, das Orchester aber eisern weiterspielte und das Stück trotzdem sicher zu Ende brachte. (3)
Einen ähnlichen Bericht über Debussys Dirigier-Künste liefert der italienische Dirigent Vittorio Gui von einer Probe, die Debussy in Turin mit einem Orchester absolvierte.
"Sein Schlag war unsicher, sein Gesicht stets in der Partitur vergraben - dabei war es doch seine eigene Musik! Er hatte weder über die Musiker noch über sich selbst die Kontrolle und blätterte die Seiten der Partitur mit der Hand um, in der er den Taktstock hielt. Es passierte ihm mehr als einmal, dass er zur großen Verwirrung des Orchesters den Takt verlor." (4)
(1) Schmitz, E. Robert. A Plea for the Real Debussy, "The Etude",
December 1937, S.781.
Zitiert nach: Nichols, Claude Debussy im Spiegel seiner Zeit - portraitiert von seinen
Zeitgenossen. M&T Verlag, Zürich/St. Gallen 1993, S. 191.
(2) Dumesnil, Maurice. Coaching with Debussy, "The Piano Teacher", Evanston, USA,
Nr.5/1962, S.10. Zitiert nach Nichols, a.a.O., S.181.
(3) Wood, Henry. My Life of Music. London, 1938. Zitiert nach Nichols, a.a.O., S. 246.
(4) Gui, Vittorio. Debussy in Italy. "Musical Opinion", Januar 1939. Zitiert nach
Nichols, a.a.O., S. 255.
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