Préludes Band I

Die Skizzen zum Band I der Préludes stammen aus den Jahren 1907/08. Das Manuskript ist auf Ende Dezember 1909, bzw. Januar und Februar 1910 datiert, erschienen ist der erste Band bei Durand am 14.04.1910. Als kompletter Zyklus wurden die Préludes allerdings nie aufgeführt, sondern nur einzeln; durch Debussy selbst, Ricardo Viñes und Franz Liebich.

Musikgeschichtlicher Hintergrund

Die Préludes Claude Debussys stehen in der Tradition zweier musikgeschichtlich bedeutender Sammlungen von Präludien:

  • Präludien aus Johann Sebastian Bachs Zyklus "Das Wohltemperierte Klavier" Band I und II (1722 und 1739/42)
  • jeweils 24 Stücke in allen Tonarten als Vorspiele zu den jeweiligen Fugen
    Tonartenanordnung: C-Dur, c-Moll, Cis-Dur, cis-Moll usw.
  • Préludes bei Frédéric Chopin, op. 28 (1836-39)
  • 24 eigenständige Stücke, zyklisch nach Tonarten geordnet (im Quintenzirkel)

Bei Debussy bestehen die Préludes aus zwei Bänden mit jeweils 12 Stücken. Die beiden Bände besitzen keine Tonartenordnung. Jedes Stück (außer Band II, Nr.11) hat einen außermusikalischen Titel, der in den Noten am Ende des Stückes aufgeführt ist. Dass der Titel erst am Ende des Stücks genannt wird, heißt, dass man den Titel nicht kennen muss, um das Stück zu verstehen. Die absolute Musik ist also wichtiger und der Titel soll nur als Anregung oder Hilfe dienen.

Titel

Die Titel gehen auf literarische Eindrücke, Erinnerungen, Gegenstände und ähnliches zurück. Teilweise hat Debussy diese Einfälle in Skizzenbüchern notiert.

Musikalische Gestaltung

Beide Bände sind aufeinander bezogen, wobei im zweiten Band die musikalische Sprache fortgeschrittener ist. Der zweite Band ist auch klanglich und pianistisch anspruchsvoller und die beiden letzten Préludes (Les tierces alternées und Feux d'artifice) weisen auf die Douze Etudes hin.

Allerdings sind nicht alle Stücke der beiden Bände musikalisch gleichwertig. Dies ist insofern erstaunlich, als Debussy nur Stücke veröffentlichte, von deren Qualität er voll und ganz überzeugt war. Am bekanntesten sind sicherlich die beiden Préludes aus dem ersten Band La fille aux cheveux de lin und La cathédrale engloutie.

Überblick

Nr. Titel Übersetzung Anregung/Inspiration
1 Danseuses de Delphes Tänzerinnen aus Delphi Erinnert an eine Säule mit 3 Bacchantinnen im Louvre, "unter vier Augen zu spielen"
2 Voiles Segel oder Schleier Sehr wahrscheinlich inspiriert durch die Auftritte der US-amerikanischen Tänzerin Loïe Fuller, die mit ihrem Serpentinen-Schleiertanz im Paris der Jahrhundertwende viele Künstler begeisterte
3 Le vent dans la plaine Der Wind in der Ebene Anfang eines Liedes aus dem Singspiel "Ninettà la cour" von Favart
4 Les sons et les parfums tournent dans l'air du soir Die Klänge und Düfte schwirren in der Abendluft Dritter Vers aus "Harmonie du Soir" von Charles Baudelaire
5 Les collines d'Anacapri Die Hügel von Anacapri Kleine Stadt auf Capri, 1700m hoch in den Bergen, Anregung unbekannt
6 Des pas sur la neige Schritte im Schnee Anregung unbekannt, "unter vier Augen zu spielen"
7 Ce qu'a vu le vent d'ouest Was der Westwind gesehen hat Wahrscheinlich eine französische Übersetzung eines Märchens von Andersen
8 La fille aux cheveux de lin Das Mädchen mit den flachsblonden Haaren Eines der "Chansons écossaises" von Leconte de Lisle, 1852 in der Sammlung "Poèmes antiques" veröffentlicht
9 La sérénade interrompue Das unterbrochene Ständchen Anregung unbekannt
10 La cathédrale engloutie Die versunkene Kathedrale Alte bretonische Legende der im Meer versunkenen Stadt Ys, die im 4. oder 5. Jahrhundert wegen der Pietätlosigkeit ihrer Bewohner versenkt wurde. Sie ist immer bei Sonnenaufgang als mahnendes Beispiel sichtbar.
11 La danse de Puck Der Tanz des Puck Aus Shakespeare's "Sommerrnachtstraum" ("A Midsummer Night's Dream"), 2. Akt, 2. Szene. Debussy wurde wahrscheinlich über eine Illustration von Arthur Rackham angeregt.
12 Minstrels Minstrels, Spielleute, Gaukler Anregung sehr wahrscheinlich über die amerikanischen Minstrel Shows

Kontakt

  © 2023 by Jochen Scheytt

Die deutschen Debussy-Seiten sind der umfangreichste Überblick über Debussys Leben und Schaffen in deutscher Sprache im Internet.

Jochen Scheytt
ist Lehrer, Pianist, Komponist, Arrangeur, Autor und unterrichtet an der Musikhochschule in Stuttgart und am Schlossgymnasium in Kirchheim unter Teck.