1 | Reflets dans l'eau | Reflexe, Spiegellichter im Wasser |
2 | Hommage à Rameau | Huldigung an Rameau |
3 | Mouvement | Bewegung |
Das Konzept, bzw. die Titel für die beiden Hefte Images Band I und Band II waren schon 1903 vorhanden. Trotzdem schloss Debussy das erste Heft erst im August 1905 ab. Dabei komponierte er Reflets dans l'eau noch einmal neu, weil es ihm nicht gut genug erschien, und zwar "auf neuen Grundlagen und auf den jüngsten Entdeckungen der harmonischen Chemie", wie er es in einem Brief an seinen Verleger Jacques Durand ausdrückte. (1) Der erste Band erschien bei Durand am 31. Oktober 1905. Uraufgeführt wurde "Hommage à Rameau" am 14.12.1905 durch Maurice Dumesnil, die anderen beiden Stücke Anfang 1906 durch Ricardo Viñes.
Debussy äußerte sich in einem anderen Brief an Durand folgendermaßen zu den Images Band I: "Ohne falsche Eitelkeit, ich glaube, dass diese drei Stücke sich gut halten und dass die ihren Platz in der Klavierliteratur einnehmen werden, [...] links von Schumann, oder rechts von Chopin... as you like it" (2)
Reflets dans l'eau ist eines der beliebtesten Klavierstücke Debussys, das durch seine Farbigkeit und Virtuosität besticht. Auch zeigt sich hier am deutlichsten der Bezug zur impressionistischen Malerei - das Funkeln und Glitzern der Wassertropfen im Sonnenlicht oder sprudelnde Wasserfontänen, in denen sich das Licht bricht.
Debussy spricht ja selbst von "jüngsten Entdeckungen der harmonischen Chemie", und in der Tat ist die Harmonik im Vergleich zu den früheren Werken um einiges komplexer geworden. So kommen in einigen Takten Folgen von vier- bis fünfstimmigen Akkorden vor, die so noch nicht bei Debussy gehört wurden. Takt 9 und 10 sind ein Beispiel dafür. Takt 9 besteht aus vier verschiedenen Akkorden, die in Takt 10 wiederholt und um zwei weitere Akkorde ergänzt werden.
Notenbeispiel 1: Reflets dans l'eau, Takt 10
Diese Akkordfolge sieht auf den ersten Blick kompliziert aus, erweist sich bei näherem Hinsehen allerdings als nicht ganz so komplex. Zur besseren Lesbarkeit werden in den folgenden Notenbeispielen einige Töne enharmonisch verwechselt, was bedeutet, dass zum Beipiel cis als des geschrieben wird, oder ais als b. Betrachtet man nun beim ersten Akkord in Takt 10 nur die unteren drei Stimmen (die Oktavierung im Bass lassen wir auch weg), erkennt man, dass es sich um einen Septakkord handelt.
Septakkorde bestehen aus Grundton (1), Terzton (3), Quintton (5) und Septim (7). Im folgenden Notenbeispiel kann man erkennen, wie Debussy die Akkordtöne anordnet. Den Quintton lässt er weg.
Notenbeispiel 2: Septakkord
Diesen Akkord, einen As7, führt er nun in Halbtonschritten, also chromatisch nach oben bis zum Des7.
Notenbeispiel 3: Reflets dans l'eau, Takt 10
Diese Methode, Septakkorde parallel nach oben oder unten zu verschieben, wendet Debussy häufig an. Neu ist hier, dass die Oberstimme nun ausschert. Debussy setzt den Septakkorden eine Melodie in der Grundtonart Des-Dur entgegen, die ein andere Bewegungsrichtung besitzt. Die Melodie geht stets einen Ganztonschritt nach unten, um dann wieder nach oben zu springen und das gleiche Muster zu wiederholen.
Notenbeispiel 4: Reflets dans l'eau, Takt 10
Führt man nun beide Linien, die chromatisch aufsteigende und die in Sekunden fallende, zusammen ergeben sich interessante Vierklänge. Während beim dritten und fünften Akkord der Grundton in der Oberstimme liegt, und somit kein weiterer Erweiterungston hinzukommt, ergeben sich bei den anderen Akkorden durch Erweiterungstöne interessante Klangwirkungen.
Notenbeispiel 5: Reflets dans l'eau, Takt 10
Werden auf einen Dreiklang weitere Terzen geschichtet, nennt man diese Erweiterungstöne. Dies sind die Septim (7), die None (9), die Undezime (11) und die Tredezime (13).
Notenbeispiel 6: C-Dur-Dreiklang mit Erweiterungstönen
Da bei diesem Akkord zwischen der Terz (3) und der Undezime (11) eine unschöne Dissonanz entsteht, wird entweder die Terz weggelassen (A) oder die Undezime um einen Halbton erhöht (#11) (B).
Notenbeispiel 7: C7(9/11/13) und C7(9/#11/13)
Dabei fällt auf, dass drei Akkorde mit der Tredezime (13) ergänzt werden. Debussy erweist sich hier in gewisser Weise als Pionier, da dieser Akkord in genau dieser Anordnung der Akkordtöne ein weit verbreiteter Akkord im Jazz geworden ist. Auch #11-Akkorde sind im Jazz gang und gäbe.
Nach dem gleichen Prinzip - parallele Akkordverschiebung plus gegenläufiger Oberstimme - verfährt Debussy auch in den Takten 31 und 32.
Mit diesem im Stil einer Sarabande geschriebenen Stück erweist Debussy dem barocken französischen Komponisten Jean-Philippe Rameau (1683-1764) sozusagen offiziell seine Reverenz. Auch schon bei den Images oubliées und Pour le piano diente ein Sarabande als langsamer Mittelsatz eines dreisätzigen Zyklus.
Die Sarabande ist ein aus Spanien stammender Tanz, der in der Instrumentalmusik des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts Eingang in die Suitenform fand. Dort wurde die Sarabande als gravitätischer Tanz im langsamen 3/2-Takt verwendet. Charakteristisch ist die Betonung der zweiten Zählzeit.
Die Betonung auf der zweiten Zählzeit des Dreiertaktes kann man am einstimmig vorgetragenen Hauptmotiv in Takt 1 und 2 gut beobachten. Es ist die erste halbe Note im ersten Takt, die nicht zuletzt durch die Überbindung zu Schlag 3 eine synkopische Wirkung bekommt, und dadurch betont wird.
Notenbeispiel 8: Hommage a Rameau, Takt 1-2
Das dritte Stück der Image steht in der Tradition der toccatenhaften Sätze, die schon in früheren Zyklen Debussys den Bezug zum Barock herstellen (siehe Passepied aus der Suite bergamasque oder die Toccata aus Pour le piano). Es ist eines der seltenen Stücke aus dieser Zeit, das keinen außermusikalischen Titel trägt.
(1) Zitiert nach: Goetzke, Bernd. Claude Debussy. Briefe an seinen Verleger. Hildesheim, 2018, S. 150.
(2) Ebda., S. 153.
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